Panama 2.0

Mittwoch, 15. Mai 2013

...

'Ach Scheiße, warum ich? Warum bin gerade ICH in so eine Situation gelangt?'
Schnell zieh ich meinen Kopf ein als ein faustgroßer Stein knapp über mich hinwegfliegt und hinter mir jemanden kurz aufschreien lässt. Als ich mich umschaue, sehe ich, dass mittlerweile noch mehr meiner Schüler aufgetaucht sind. Die Wut steht ihnen ins Gesicht geschrieben, als sie die Steine von der proviesierten Straße auflesen und auf die anderen zurück schmeißen.
Als ein paar Mutige, oder auch Verrückte, sich mit Stöcken bewaffnen und die Distanz zwischen den beiden sich bewerfenden Gruppen überbrücken wollen, ist jede Linie überschritten. Schubsend versuche ich ein paar Schüler von dem Straßenkampf wegzudrängen. Die meisten von ihnen sind noch keine 18. Sie schreien, einige sind schon betrunken und denken gar nicht jetzt zu gehen.
Plötzlich taucht ein weiterer Schwung Schüler auf. Mittlerweile sind es richtig viele, 60 oder 70, mehr als doppelt so viel wie die anderen. Durch ihre Überzahl mutig geworden stürzen sie sich alle nach vorne. Dann ruft auf einmal jemand "Cuchillos! Tienen cuchillos!". Die angreifenden Schüler verlieren Schwung. Einige sind sichtlich verwirrt. Sekunden später ruft jemand aus den ersten Reihen "Cuchillos! Corre, corre!". Mittlerweile ist der Ansturm komplett zum erliegen gekommen. Die meisten stehen kurz auf der Straße rum. Dann schreit jemand von vorne mit hysterischer Stimme "Cooorrrrreeeee!!". Panik bricht aus, als die Schüler Hals über Kopf in die Richtung zurück laufen, aus der wir vorhin gekommen sind. Ein Zehntklässler fällt weiter vorne und wird von ein paar seiner Kameraden fast über den Haufen gerannt. Dann jedoch taucht ein Lehrer neben ihm auf, bringt ihn wieder auf die Füße und zerrt den Schüler dann in die Richtung, in die wir alle laufen. Er blutet aus einer kleinen Schramme im Gesicht und aus einer Schürfwunder an den Beinen.

Immer noch gehen Steine in die Menge der Fliehenden nieder. Ich fühle mich berauscht, als ich mit allen anderen zurück laufe. Die Biere, die ich erst vor kurzem mit dem Direktor der Schule getrunken habe tuen ihr übriges dazu. Als mich beinah ein Stein am Kopf trifft, drehe ich mich noch einmal um. Sie jagen uns. Schmeißen immer noch Steine auf uns. Einige haben das in ihren Händen, was uns alle zum laufen gebracht hat. Kampfmesser. Lange, stabil aussehende Messer, die gefährlich in der Sonne aufblitzen. Jetzt bekomme ich Angst. Das war viel zu schnell eskaliert und sie sahen wütend genug aus, um mit ihren Messern Dinge zu tun, die sie später bereuen könnten. Sprich, einen von uns ernsthaft verletzen.
Als wir fast am Treffpunkt sind, kann ich die anderen Lehrer brüllen hören, dass alle sofort in die Busse rein sollen. Hatten sich die meisten Schüler auf dem Hinweg noch darüber gestritten neben wem sie sitzen dürften, so quetscht sich jetzt alles in das nächstbeste Fahrzeug. Nachdem ich es endlich in einen geschafft habe, höre ich, wie ein paar Steine gegen das Blech des Fahrzeug donnern. Ein großer Stein fliegt voll gegen die Heckscheibe, lässt die Mädchen im Bus aufschreien und hinterlässt Risse im Glas. Einer der Busse, der hinter uns stand, rast mit einem Aufbrüllen des Motors an uns vorbei. "Vamonos de aqui" ruft Gordo, der Lehrer, der am nächsten der Tür steht. Die Reifen drehen beinah beim Anfahren durch, dann macht der Bus einen Satz nach vorne und wir folgen den anderen. Mittlerweile waren alle Schüler in einem der 5 Busse und nur noch unsere Verfolger auf der Straße. Als wir uns von ihnen entfernen sehen wir, wie aus einer Seitenstraße 3 bewaffnete Polizisten gerannt kommen. Die Männer lassen die Messer fallen, knien sich eilig hin und heben die Hände hoch. Dann schießt der Bus um eine Ecke und wir sind außer Sicht.
Als wir aus dem Dorf draussen sind, halten wir bei den anderen Bussen an. Alle Schüler strömen nach draussen und fangen an wild durcheinander zu rufen. El Gordo schafft sich mit seiner lauten Stimmung Aufmerksmkeit, er will wissen, ob noch jemand verletzt sei und wenn ja, dann sollen sie bitte zum ersten Bus gehen. Dort steht auch der Direktor und als ich ihn frage, ob irgendwer ernsthaft verletzt sei, schüttelt er den Kopf. Ich fühle Erleichterung in mir aufsteigen. Dann jedoch meint er, es könne möglich sein, immerhin vermissen wir immer noch einen Bus. Dann wird auch mir klar, dass der 5te Bus nie aus dem Dorf raus gekommen ist. Am liebsten hätte ich aufgestöhnt, denn für den Bus wäre ich mit verantwortlich als Aufsichtsperson gewesen.
Was war das nur für ein Schulausflug?

Faultiere sind toll

Ich denke, dass es einen Grund gibt, warum die meisten Freiwilligen nach mehreren Monaten aufhören ihren Blog richtig zu führen. Es ist ein Grund der weniger als bewusste Entscheidung bezüglich des Blog schreibens gefasst wird, à la "Ich bin jetzt weg, die zu Hause können sich meine Facebookbilder anschauen und neidisch werden"; sondern das ganze Austauschjahr betrifft. Es ist ein Aspekt, der sich auf die meisten Lebenslagen des Freiwilligen überträgt, der das ganze Austauschjahr auf eine Weise erträglicher macht, aber auf der anderen Seite auch etwas langweiliger. Es ist die Gewohnheit. Man beginnt, sich an sein neues Leben im Ausland zu gewöhnen. Wenn man zum 10ten Mal nun Faultiere, sich mit einer Ästhetik und Schnelligkeit durch die Bäumen hangeln sieht, dass Tarzan vor Neid erblassen würde, so bleibt man nicht mehr eine halbe Stunde stehen um zuzuschauen. Wie lange es ungefähr brauchen würde, damit diese putzigen Kerlchen gefühlte 2 Meter weit kommen.
Aber nicht, dass ihr mich falsch versteht. So sehr die Gewohnheiten auch die Überhand bekommen, gibt es immer noch unglaublich tolle Momente. So ist es immer wieder atemberaubend, einem Faultier, dass sich in Bodennähe verirrt hat, mal übers Fell zu streicheln und dann zuzusehen, wie es versucht dich mit seinen Krallen zu erwischen. Sein Versuch hat etwas von einem Betrunkenen, der versucht etwas sehr genau zu machen und dabei unglaublich langsam unglaublich ungeschickte Bewegungen ausführt. Ein anderer toller Moment ist es, wenn ich morgens ins Smithsonian komme, vor meinem Chef da bin und dann für eine halbe Stunde in die Privatbucht der Station schwimmen gehe. Mit der Sonne im wolkenlosen Himmel, dem klaren, bewegungslosen Wasser vor mir und den grünen Bergen des Festlandes im Hintergrund denke ich jeden Tag, dass ich doch im Paradis gelandet sein muss.
Ihr seht, dass die Tatsache, dass mein Jahr hier zwar gewöhnlicher geworden ist, aber nicht weniger schön oder weniger interessant. Es ruft jetzt nicht mehr: Wow-Momente hervor, die man mit der ganzen Welt teilen möchte, sondern eher Augenblicke, die einen mit einem lächeln auf den Lippen zurück lassen.
Daher nehmts bitte nicht persönlich ;)

Montag, 14. Januar 2013

Mal was neues

Zur der unglaubllichen Hitze mischte sich diesesmal noch der Gestank. Wir hatten erst einen Bruchteil des Weges hinter uns an diesem Morgen, aber der Schweiss rann trotzdem schon in Stroemen an unseren Ruecken herunter und lies die Tshirts eng an der Haut kleben. Fast wie eine Karawane pendelten die ungefaehr 200 Freiwilligen zwischen den Bergen entlang, um zu ihren einzelnen Zielen zu kommen: Fast 20 Baustellen, an denen an diesem Wochenende jeweils ein Haus gebaut warden sollte. Das war die Aufgabe von uns, den Leuten die sich fuer “Un Techo para mi Pais” (Ein Dach fuer mein Land) gemeldet haben, eine nicht ganz einfach zu bewerkstelligende Aufgabe. Obwohl es erst 7 Uhr am Morgen war, lieferte sich das Thermometer ein Wettrennen mit dem Wasser in unseren Stiefeln und kratzte schnell an die 30 Grad Grenze. Mit den ganzen Arbeitsmaterialien wurden die unbefestigten Wege zu den einzelnen Baustellen zu einer einzigen Rutschangelegenheit, bei der man immer konzentriert bleiben musste. Als wir fast an unseren Zielen angekommen waren, kam Wind auf, der zwar Abkuehlung brachte, dafuer aber einen unglaublichen Gestank in unsere Nasen trug. Er wurde von einem ganz bestimmten Berg aus unserer Naehe zu uns herueber geweht, dem einzigen Berg in Kuna Nega, der Gemeinde, in der wir arbeiteten, der nicht natuerlichen Ursprungs war. Es war der Muellberg von Panamastadt, der nicht einmal eine halbe Stunde vom Zentrum entfernt, sich zu einer mehr als beeindruckenden Hoehe angehaeuft hat. Diese Ansammlung von Abfaellen bestimmte das Bild der Umgebung von Kuna Nega, einer der aermsten Doerfer um Panama Stadt herum. Dies zeigte sich uns auch deutlich als unsere Gruppe, 5 Panamesen, Lea, eine andere deutsche Freiwillige und ich, endlich an unserer Baustelle ankamen. Die ehemalige Blechhuette der Familie mass 3 auf 4 Meter und hatte keinen Boden, was bedeutete, das jedes Mal, wenn es im Dschungel regnet, ihr Haus ueberschwemmt wurde. Und nun ja, im Dschungel regnet es nun leider verdammt oft, bis zu mehreren Malen taeglich. Die Huette bot gerade genug Platz fuer die Betten der Eltern und der 4 Kinder, einen kleinen Gasherd und den Fernseher, der wie in jedem panamesischen “Haushalt” den ganzen Tag lief. Ausserdem war der Platz zum Ausbau wirklich sehr begrenzt, den da Grundstueck der Familie befand sich auf einem kleinen Plateau, am Abhang eines Berges, zu dessen Grund es extreme steil hinab ging. Fuer das neue Haus wurde im Vorfeld schon ein Teil des Berges abgetragen und eine mehr oder weniger ebene Flaeche geschaffen. Unsere Ankunft wurde von der einheimischen Familie freudig erwartet und fiel dementsprechend warm aus. Aber relative bald stellte sich heraus, dass nicht nur der Arbeitsbereich genugend gesichert war, noch dass alle Bauteile vor Ort waren. Nachdem wir angefangen hatten den Boden zu vermessen, um die Balken fuer das Fundament der Holzhuette zu legen, fing es an zu regnen. Das waere an fuer sich kein Problem gewesen, waere dadurch nicht die Erde aufgeweicht. Wir waren gerade dabei den 4ten von 15 Pfaehlen in die Erde zu hauen und zu nivellieren als die aufgeweichte Erde am Rand der Baustelle anfing abzurutschen und beinah unsere Bauleiterin unter sich begrub. Obwohl begrub wohl etwas zu theatralisch waere, den um eine solch grosse Erdmasse handelte es sich dann doch nicht. Wir mussten ungefaehr 1 Stunde Arbeit in die Saeuberung der Baustelle stecken und waren dann wieder frohen Mutes. Schnell aber entbrannte die Diskussion, ob wir mehr Erde abtragen sollten, oder ob wir weiter machen und hoffen sollten, dass nichts passiert. Wir entschieden uns fuer letzteres, was sich als Fehler herausstellte. Wir waren nicht viel weiter mit den Pfaehlen gekommen, als die Erde wieder nachgab, diesesmal stuerzte sie auf fast der gesamten Laenge der Baustelle ab. Mit einem lauten Bums verabschiedete sich ein Grossteil unserer Arbeitsausruestung unter die herabstuerzende Erdmasse. Na toll, nun hiess es also wieder schauffeln. Unterstuetzung bekamen wir dieses mal von dem Sohn der Familie und ein paar Freiwilligen, die ueberall dort taetig waren, wo Hilfe benoetigt wurde. Trotzdem dauerte es dieses Mal fast 3 Stunden, bis alles sauber war. Nichtsdestotrotz entschieden wir uns lieber vorzusorgen und nochmal ein gutes Stuecken Geroell aus der Flanke des Berges zu hauen, damit wir endlich Ruhe hatten. So gruben, schaufelten und fluchten wir bis Nachmittags, um uns dann wieder unserer urspruenglichen Arbeit, dem Bau eines Hauses zu widmen. Bis zum Abend hatten wir insgesamt nur 8 von 15 Pfloecken in der Erde und meine Hoffnung am naechsten Tag ein KOMPLETTES (Holz)Haus zu bauen sank betraechtlich. Unglaublich erschoepft fielen wir an diesem Abend auf den Boden der Schule, die uns extra bereit gestellt wurde. Einige Pechvoegel sanken auf den Boden, durch eine glueckliche Fuegung des Schicksals hatte ich mir in weiser Vorraussicht endlich mal eine Luftmatratze gekauft, die mir dort und seitdem auch an zahlreichen anderen Orten beste Dienste geleistet hat. Am naechsten Morgen machten wir uns wieder auf den Weg um unsere Arbeit zu vollenden. Wir gingen frisch motiviert und voller Energie (durch eine Nacht auf einer sehr bequemen Luftmatratze) wieder ans Werk. Diesesmal lief die Arbeit reibungsloser und bis zum Mittagessen hatten wir 12 der 15 Balken in der Erde. Danach schlugen wir in einem Gewaltakt die letzten Pfaehle in den Boden und findne an das restliche Holz zu saegen. Da es bereits 2 Uhr Nachmittags war und es in Panama fast genau um Punkt halb 7 dunkel wird befanden wir uns in Eile. Wir teilten die Arbeit auf und saegten die Verbindungsstuecke, die wir innerhalb einer kuerzester Zeit auf das Fundament hammerten. Als naechstes mussten wir die bereits vorgefertigten Bodenteile heranschleppen und sahen uns der naechsten Herausforderung gegenueber: Eins der Teile war nicht richtig genagelt und passte daher nicht. Na toll,… also machten wir uns zu Dritt daran, mit Saege, Hammer und Meisel, das Ganze in die richtige Form zu pressen. Als Deutscher wollte ich erstmal alles ausmessen und dann das Holz genau absaegen, aber auf das Draengen des Bruders des Hausherren, entschieden wir uns dann fuer eine etwas brachialere Vorgehensweise. So edel das Motiv des guten Herren auch war, sein Plan, das Holz einfach mit Brechstange herauszuschlagen, erwies sich als etwas ungeschickt, wodurch betraechtliche Loecher in den Boden der Familie geschlagen worden waren. Diese Armen hatten wohl nie Glueck, was die Boeden ihrer Behausungen anging. Eine gute Sache hatte das Ganze jedoch, wir waren schnell fertig. Als der Boden fest montiert war, gingen wir dazu ueber, die ebenfalls schon fertigen Waende heranzutragen. Bei der ersten Wand ging ich ganz vorne und gerade als wir die alte Huette der Panamesen passierten, blieb die Wand irgendwo haengen. Da wir nicht wussten, wo die Wand haengen geblieben war, machten wir das, was alle vernuenftigen Maenner bei solchen Sachen nun mal tun, wir machten es mit Gewalt. Ein paar Schritte anlauf sollten genuegen, um die massive Holzwand durchzubekommen und jedes kleine Hinderniss einfach umzuknicken. Die paar Schritte anlauf waren auch genug und gerade als ich mich freute, dass wir durch waren, wurde es auf einmal Schwarz. Ein paar Sekunden spaeter fand ich mich auf dem Boden liegend wieder und war unglaublich dessorientiert. Dann setzte der Schmerz ein. Als alle anderen besorgt auf mich zu kamen, um zu schauen wie es mir ging, rappelte ich mich wieder auf. Es ging, ich konnte mich bewegen, blutete nirgendwo und hatte keine Gleichgewichtsstoerungen, da waren nur diese unglaublichen Kopfschmerzen. Was war also passiert? Das Hinderniss, durch das die Holzwand nicht durch kam, war ein Dachbalken der alten Huette gewesen, der sich ungluecklicherweise genau ueber mir befand. Als ich mir den Balken danach genauer ansah, wurde mir bewusst, was fuer ein Glueck ich hatte, den in ihm steckten noch die ganzen Naegel, die das Dach mit diesem Stueck Holz einst verband.
Danach gab es keine nennenswerte Probleme mehr, das einzige was nicht auf unserer Seite war, war die Zeit. Mit jedem Stueck Wand, dass wir aufricheteten, sank die Sonne immer tiefer, erst als andere Teams uns zu Hilfe kamen, schien das ganze etwas realistischer zu werden. Als alle Waende standen, legten wir die Dachverstrebungen und montierten sie, als wir jedoch damit fertig waren und gerade das erste Stueck Blech fuer das Dach auf das Haus wuchteten, brach Dunkelheit ueber uns hinein. Sie brach wirklich ueber uns hinein, den innerhalb weniger Minuten konnte man seine Hand nicht mehr vor den eigenen Aufen sehen. Unter diesen Umstaenden auf einem instabilen Dach zu arbeiten erschien daher ziemlich idiotisch und lieferte fuer , jeden, dem nur ein kleine Stueck Motivation fehlte , einen willkommenen Grund, sich auf den Rueckweg zu machen. Aber wir hatten Blut geleckt, wir hatten nun wirklich die Hoffnung, die Huette noch fertig zu bekommen. Das und der Grund, dass mir immer noch der Schaedel brummte und ich das daher durchziehen wollte, sorgten dafuer dass wir dann noch zu 4 auf dem Dach weiter arbeiteten. Wir brauchten nochmal 2 Stunden um die extrem scharfkantigen Bleche auf dem Dach zu montieren und in einem letzten Aufbauemen der Kraefte schafften wir es endlich das letzte Verbindungsstueck des Daches fest zu setzen. Nach 2 Tagen voller Arbeit hatten wire s geschafft! Es war schwer das Grinsen in den Gesichtern der Leute zu uebersehen, die ich den letzten Tagen so gut kennen gelernt hab. Als die panamesische Familie in einem kleinen feierlichen Akt, das Band zerschneideten, das in der Tuer gespannt war und somit das Haus einweihten, waren wir wirklich alle verdammt froh und stolz. So kann ich also jetzt schon stolz sagen, ja, ich habe ein Haus gebaut!

Dienstag, 16. Oktober 2012

Fast ein neues Leben

Ich habe so viel zu erzählen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll! Erst Mal, wird den aufmerksamen Lesern unter euch vielleicht aufgefallen sein, dass ich in diesem Eintrag sogar schon ein ä und ein ß benutzt habe, daher also doch tatsächlich an einem deutschen Laptop sitze. Um zu erklären, wie ich zu dieser Freude komme, muss ich etwas weiter ausholen. Jetzt mag vielleicht einer denken „Oh Gott, wenn Marvin so was sagt, dann sitze ich morgen noch hier, soviel wie der labert!“ Das mag vielleicht stimmen, aber da muss man nun mal durch, noch könnt ihr einfach aufhören! Es wird ab sofort leider keine Bauern Geschichten aus Coclesito mehr geben. Das war es jetzt mit den Schafspielen. Der Grund dafür ist einfach, Corinna und ich haben Anfang der Woche unsere Koffer gepackt und haben das Projekt verlassen. Das war eine Entscheidung, die wir nach langem Überlegen gefällt haben. Vielleicht hat sich einer von euch schon gedacht, warum ich noch nichts über meine sozialen Arbeiten geschrieben habe. Nun, die Arbeit in Coclesito war für Corinna und mich ausschließlich Farmarbeit. Und bei allem Arbeitswillen, wir waren nicht dazu bereit ein Jahr uns als billige Farmarbeiter ausnutzen zu lassen. Daher war das die richtige Entscheidung. Im Moment lebe ich in Panama Stadt bei Jonas, einem anderen deutschen Freiwilligen, dessen Gastfamilie so freundlich war, mich für ein paar Tage aufzunehmen. Corinna ist schon nach Santiago gefahren, weil sie dort in einem neuen Projekt arbeiten und in einer (hoffentlich :D ) tollen Gastfamilie leben wird. Bei all den eher nicht so positiven Erfahrungen, die ich Coclesito gemacht habe, möchte ich abschließend sagen, das das Zusammenleben mit Corinna echt Spaß gemacht hat. Trotz anfänglicher Zweifel, da ich nicht genau wusste, was ich von ihr halten sollte, hat sie sich als liebenswerte, leicht verrückte, gesprächige und hilfsbereite Projektpartnerin herausgestellt. Ich denke, wenn ich ohne Corinna nach Coclesito gekommen wäre, wäre das Ganze nicht mal halb so lustig geworden ;) Corinna, wenn du das hier liest, möchte ich dir Danke dafür sagen, dass wir die Zeit in Coclesito zusammen durchgestanden haben! Viel Glück für die Zukunft, wenn wir eigene Wege gehen.
Am Dienstag hatten wir also alle unseren Sachen gepackt, uns von allen verabschiedet und saßen im Pickup Transporter Richtung Penonome, von wo wir aus dann den Bus nach Panama nehmen wollten.( Die Panamesen nennen ihre Haupstadt übrigens einfach nur Panama, was für mich anfänglich auch verwirrend war. ) Am Tag zuvor hatten wir mit unserem Projektleiter gesprochen und ihm mitgeteilt, dass wir das Projekt verlassen würden. Im Gespräch hat er sich super verständlich gezeigt, meinte auch, dass er ja nur das Beste für uns will und so weiter. Im Endeffekt hat sich dann herausgestellt, dass er sich bei AFS auf das gröbste über uns beschwert hat, was ich letztendlich sehr enttäuschend finde. Das war ein Mann, von dem ich menschlich einfach enttäuscht bin, vor allem da ich auch sehr hohe Ansprüche an jemanden habe, der mal als Botschafter gearbeitet hat. Aber das Ganze hat Corinna und mich nur mehr in unserem Beschluss gestärkt nicht mehr nach Coclesito zurück zu kehren.
AFS war von unserer Entscheidung nicht all zu begeistert, da die Sache mit ihnen nicht vollends abgesprochen war. Wir hatten sie natürlich von unserem Projektabbruch rechtzeitig informiert, aber halt nur informiert und uns nicht mit ihnen abgesprochen. Es tut mir etwas leid, dass wir sie in diese Situation gebracht haben, aber wir hatten den Eindruck, dass man solche drastische Maßnahmen ergreifen müsse, da dies nun mal Lateinamerika ist und die Leute für alles etwas länger brauchen. Corinna hat schon relative schnell ein neues Projekt bekommen und ist nach 2 Tagen ab nach Santiago, wo sie in Zukunft kleine Kinder fuettert. Ich durfte noch etwas in Panama Stadt bleiben, da mich leider keine Gastfamilie so richtig wollte :D Was wie man mir versicherte aber nicht an mir speziell, sondern an meinem Geschlecht lag, denn Maenner warden in Lateinamerika nicht so leicht vermittelt. Die Zeit in Panama Stadt habe ich dann auch noch ausgenutzt, denn in diesen fast 2 Wochen habe ich bei Jonas zu Hause gewohnt. Seine Familie war so net, mich in dieser Zeit zu beherbergen und durch zu fuettern. Am ersten Wochenende war der Geburtstag von Jonas Gastvater, Freddy, ein richtig musikalischer Mensch. Zu aller Ueberraschung habe ich dann erfahren, dass seine Tochter, die am Geburtstag fuer uns alle gesungen hat, den 2ten Platz bei “Viva la Musica” gemacht hat, dem panamesischen Gegenstueck zu DSDS. Das war also meine erste Promibekanntschaft in Panama! In der restlichen Zeit war ich noch auf einem panamesisch/deutschen Oktoberfest. Das war relative amuesant, denn es wurden deutsche Volkstaenze aufgefuerht, deutsches Bier getrunken und Weisswurst gegessen. Zwar etwas anders, als in Bayern oder dem Rest von Deutschland, dennoch tat es gut, ein kleines Oktoberfest zu feiern, das war fast ein Stueck Heimat. Noch ein wenig besser, als das Oktoberfest in der Universitaet, war die Feier des 3. Oktober im AFS Buero. Auch wenn wir ihnen versichert haben, das man das eigentlich nicht in Deutschland feiert, liessen sich die AFSler nicht beirren und haben fuer alle deutschen Austauschschueler und Freiwillige ein Fest organisiert. Es gab wieder deutsches Bier und dieses Mal sogar original deutsches Brot, aus einer deutschen Baeckerei in Panama Stadt. Die anwesenden Deutschen haben spaeter dann auch deutsche Lieder gesungen und die anwesenden Panamesen haben laut gelacht, ob jetzt mit oder ueber uns, so wichtig ist das auch nicht.


Inzwischen lebe ich in Nata de Caballeros und unterrichte Englisch an der hiesigen High School. Das Ganze gefaellt mit wesentlich besser, als die Abreit in Coclesito, was auch nicht so unerwartet ist. Ich helfe Efraim, einem blinden Englisch und Franzoesischlehrer im Nachmittagsunterricht. Ich helfe ihm sogar bei den franzoesisch Klassen, was eigentlich fuer mich selbst ueberraschend ist, da meine franzoesisch Kentnisse alles andere als gut sind. Die traurige Wahrheit ist jedoch, dass ich besser Franzoesisch sprechen kann, als alle Anwesenden im Franzoesischunterricht. Das selbe trifft auf Englisch zu, den mit den Englischlehrern kann ich mich nicht wirklich auf Englisch unterhalten, weil sie mich einfach nicht verstehen. Generell ist das schuliche Anforderungsniveau etwas geringer gehalten, als ich es von deutschen Schulen gewohnt bin. Abe res ist teilweise echt unterhaltsam hier zu unterrichten. Gestern habe ich einen Englischtest korrigiert und die Aufgabe war es in 6 Saetzen jeweils das richtige Wort zu umkreisen, zur Auswahl stand jeweils ein Adjektiv und das dazugehoerige Adverb. Was gab es da nicht fuer interessante Loesungsansaetze! Entweder wurden die Saetze wild in unterschiedlichen Farben unterstrichen oder einfach mal jedes einzelne Wort im Satz umkreist. Mein persoenlicher Favorit war aber der Test, wo alle Adjektive und Adverbien aus dem Text abgeschrieben wurden, in einem wilden Durcheinander auf ein freies Stueck Papier geschrieben wurden und dann einfach umkreist wurden. Mittlerweile verstehe ich die Wahl des ein oder anderen Lehrers, denn der Beruf kann wirklich lustig sein. Aber davon abgesehen sind alle Schueler und auch die Lehrer sehr nett. Richtig herzliche Menschen, die mich mit offen Armen empfangen haben. Die lateinamerikanische Lebensweise bemerkt man auch in der Schule, denn wenn ich frueher gedacht habe, wir waren unerzogene Schueler, so weiss ich es heute besser. Hier im Unterricht wird laut durch die Klasse gerufen, einfach raus gegangen, gegessen und mit dem Handy gespielt und dem Lehrer, ja, dem Lehrer ist das alles so egal. Mir mittlerweile auch und ich geniesse einfach die gute Stimmung und die kleinen verrueckten panamesischen Kinder.

Im Gegensatz zu Coclesito lebe ich jetzt auch in einer Gastfamilie, die mich ebenfalls mit offenen Armen empfangen hat. Ich bin jetzt das 8te Familienmitglied, denn vorher haben die beiden Eltern O Neil und Yini, mit ihren 3 Kindern ( Cristina 25 Jahre, Anthony 18 Jahre und Josue 10 Jahre) und Enkelnkindern (Cristinas suesse Kinder Josthan und Cristy) in ihrem Haus mit den 3 Hunden, der Katze und dem Hasen ziemlich alleine gelebt. Hier ist immer was los, entweder spielen die Kinder in der alten Garage, die zu einem Mini Internetcafe umgewandelt wurde oder es wird laut “Dale Mami” von den Lautsprechern aus dem Wohnzimmer gegroellt. Ich habe mein eigenes Zimmer, was um einiges grosser als Corinnas und meine kleine Zelle in Coclesito war, aber keine Tuer hat. Da wo die Tuer sein sollte, ist einfach nur ein Vorhang und da mein Zimmer neben der Kueche liegt bekomme ich genau mit, wer von der Familie denn Nachts immer am Kuehlschrank nascht. Und wehe, jemand isst was von meinem Muesli!

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