Dienstag, 16. Oktober 2012

Fast ein neues Leben

Ich habe so viel zu erzählen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll! Erst Mal, wird den aufmerksamen Lesern unter euch vielleicht aufgefallen sein, dass ich in diesem Eintrag sogar schon ein ä und ein ß benutzt habe, daher also doch tatsächlich an einem deutschen Laptop sitze. Um zu erklären, wie ich zu dieser Freude komme, muss ich etwas weiter ausholen. Jetzt mag vielleicht einer denken „Oh Gott, wenn Marvin so was sagt, dann sitze ich morgen noch hier, soviel wie der labert!“ Das mag vielleicht stimmen, aber da muss man nun mal durch, noch könnt ihr einfach aufhören! Es wird ab sofort leider keine Bauern Geschichten aus Coclesito mehr geben. Das war es jetzt mit den Schafspielen. Der Grund dafür ist einfach, Corinna und ich haben Anfang der Woche unsere Koffer gepackt und haben das Projekt verlassen. Das war eine Entscheidung, die wir nach langem Überlegen gefällt haben. Vielleicht hat sich einer von euch schon gedacht, warum ich noch nichts über meine sozialen Arbeiten geschrieben habe. Nun, die Arbeit in Coclesito war für Corinna und mich ausschließlich Farmarbeit. Und bei allem Arbeitswillen, wir waren nicht dazu bereit ein Jahr uns als billige Farmarbeiter ausnutzen zu lassen. Daher war das die richtige Entscheidung. Im Moment lebe ich in Panama Stadt bei Jonas, einem anderen deutschen Freiwilligen, dessen Gastfamilie so freundlich war, mich für ein paar Tage aufzunehmen. Corinna ist schon nach Santiago gefahren, weil sie dort in einem neuen Projekt arbeiten und in einer (hoffentlich :D ) tollen Gastfamilie leben wird. Bei all den eher nicht so positiven Erfahrungen, die ich Coclesito gemacht habe, möchte ich abschließend sagen, das das Zusammenleben mit Corinna echt Spaß gemacht hat. Trotz anfänglicher Zweifel, da ich nicht genau wusste, was ich von ihr halten sollte, hat sie sich als liebenswerte, leicht verrückte, gesprächige und hilfsbereite Projektpartnerin herausgestellt. Ich denke, wenn ich ohne Corinna nach Coclesito gekommen wäre, wäre das Ganze nicht mal halb so lustig geworden ;) Corinna, wenn du das hier liest, möchte ich dir Danke dafür sagen, dass wir die Zeit in Coclesito zusammen durchgestanden haben! Viel Glück für die Zukunft, wenn wir eigene Wege gehen.
Am Dienstag hatten wir also alle unseren Sachen gepackt, uns von allen verabschiedet und saßen im Pickup Transporter Richtung Penonome, von wo wir aus dann den Bus nach Panama nehmen wollten.( Die Panamesen nennen ihre Haupstadt übrigens einfach nur Panama, was für mich anfänglich auch verwirrend war. ) Am Tag zuvor hatten wir mit unserem Projektleiter gesprochen und ihm mitgeteilt, dass wir das Projekt verlassen würden. Im Gespräch hat er sich super verständlich gezeigt, meinte auch, dass er ja nur das Beste für uns will und so weiter. Im Endeffekt hat sich dann herausgestellt, dass er sich bei AFS auf das gröbste über uns beschwert hat, was ich letztendlich sehr enttäuschend finde. Das war ein Mann, von dem ich menschlich einfach enttäuscht bin, vor allem da ich auch sehr hohe Ansprüche an jemanden habe, der mal als Botschafter gearbeitet hat. Aber das Ganze hat Corinna und mich nur mehr in unserem Beschluss gestärkt nicht mehr nach Coclesito zurück zu kehren.
AFS war von unserer Entscheidung nicht all zu begeistert, da die Sache mit ihnen nicht vollends abgesprochen war. Wir hatten sie natürlich von unserem Projektabbruch rechtzeitig informiert, aber halt nur informiert und uns nicht mit ihnen abgesprochen. Es tut mir etwas leid, dass wir sie in diese Situation gebracht haben, aber wir hatten den Eindruck, dass man solche drastische Maßnahmen ergreifen müsse, da dies nun mal Lateinamerika ist und die Leute für alles etwas länger brauchen. Corinna hat schon relative schnell ein neues Projekt bekommen und ist nach 2 Tagen ab nach Santiago, wo sie in Zukunft kleine Kinder fuettert. Ich durfte noch etwas in Panama Stadt bleiben, da mich leider keine Gastfamilie so richtig wollte :D Was wie man mir versicherte aber nicht an mir speziell, sondern an meinem Geschlecht lag, denn Maenner warden in Lateinamerika nicht so leicht vermittelt. Die Zeit in Panama Stadt habe ich dann auch noch ausgenutzt, denn in diesen fast 2 Wochen habe ich bei Jonas zu Hause gewohnt. Seine Familie war so net, mich in dieser Zeit zu beherbergen und durch zu fuettern. Am ersten Wochenende war der Geburtstag von Jonas Gastvater, Freddy, ein richtig musikalischer Mensch. Zu aller Ueberraschung habe ich dann erfahren, dass seine Tochter, die am Geburtstag fuer uns alle gesungen hat, den 2ten Platz bei “Viva la Musica” gemacht hat, dem panamesischen Gegenstueck zu DSDS. Das war also meine erste Promibekanntschaft in Panama! In der restlichen Zeit war ich noch auf einem panamesisch/deutschen Oktoberfest. Das war relative amuesant, denn es wurden deutsche Volkstaenze aufgefuerht, deutsches Bier getrunken und Weisswurst gegessen. Zwar etwas anders, als in Bayern oder dem Rest von Deutschland, dennoch tat es gut, ein kleines Oktoberfest zu feiern, das war fast ein Stueck Heimat. Noch ein wenig besser, als das Oktoberfest in der Universitaet, war die Feier des 3. Oktober im AFS Buero. Auch wenn wir ihnen versichert haben, das man das eigentlich nicht in Deutschland feiert, liessen sich die AFSler nicht beirren und haben fuer alle deutschen Austauschschueler und Freiwillige ein Fest organisiert. Es gab wieder deutsches Bier und dieses Mal sogar original deutsches Brot, aus einer deutschen Baeckerei in Panama Stadt. Die anwesenden Deutschen haben spaeter dann auch deutsche Lieder gesungen und die anwesenden Panamesen haben laut gelacht, ob jetzt mit oder ueber uns, so wichtig ist das auch nicht.


Inzwischen lebe ich in Nata de Caballeros und unterrichte Englisch an der hiesigen High School. Das Ganze gefaellt mit wesentlich besser, als die Abreit in Coclesito, was auch nicht so unerwartet ist. Ich helfe Efraim, einem blinden Englisch und Franzoesischlehrer im Nachmittagsunterricht. Ich helfe ihm sogar bei den franzoesisch Klassen, was eigentlich fuer mich selbst ueberraschend ist, da meine franzoesisch Kentnisse alles andere als gut sind. Die traurige Wahrheit ist jedoch, dass ich besser Franzoesisch sprechen kann, als alle Anwesenden im Franzoesischunterricht. Das selbe trifft auf Englisch zu, den mit den Englischlehrern kann ich mich nicht wirklich auf Englisch unterhalten, weil sie mich einfach nicht verstehen. Generell ist das schuliche Anforderungsniveau etwas geringer gehalten, als ich es von deutschen Schulen gewohnt bin. Abe res ist teilweise echt unterhaltsam hier zu unterrichten. Gestern habe ich einen Englischtest korrigiert und die Aufgabe war es in 6 Saetzen jeweils das richtige Wort zu umkreisen, zur Auswahl stand jeweils ein Adjektiv und das dazugehoerige Adverb. Was gab es da nicht fuer interessante Loesungsansaetze! Entweder wurden die Saetze wild in unterschiedlichen Farben unterstrichen oder einfach mal jedes einzelne Wort im Satz umkreist. Mein persoenlicher Favorit war aber der Test, wo alle Adjektive und Adverbien aus dem Text abgeschrieben wurden, in einem wilden Durcheinander auf ein freies Stueck Papier geschrieben wurden und dann einfach umkreist wurden. Mittlerweile verstehe ich die Wahl des ein oder anderen Lehrers, denn der Beruf kann wirklich lustig sein. Aber davon abgesehen sind alle Schueler und auch die Lehrer sehr nett. Richtig herzliche Menschen, die mich mit offen Armen empfangen haben. Die lateinamerikanische Lebensweise bemerkt man auch in der Schule, denn wenn ich frueher gedacht habe, wir waren unerzogene Schueler, so weiss ich es heute besser. Hier im Unterricht wird laut durch die Klasse gerufen, einfach raus gegangen, gegessen und mit dem Handy gespielt und dem Lehrer, ja, dem Lehrer ist das alles so egal. Mir mittlerweile auch und ich geniesse einfach die gute Stimmung und die kleinen verrueckten panamesischen Kinder.

Im Gegensatz zu Coclesito lebe ich jetzt auch in einer Gastfamilie, die mich ebenfalls mit offenen Armen empfangen hat. Ich bin jetzt das 8te Familienmitglied, denn vorher haben die beiden Eltern O Neil und Yini, mit ihren 3 Kindern ( Cristina 25 Jahre, Anthony 18 Jahre und Josue 10 Jahre) und Enkelnkindern (Cristinas suesse Kinder Josthan und Cristy) in ihrem Haus mit den 3 Hunden, der Katze und dem Hasen ziemlich alleine gelebt. Hier ist immer was los, entweder spielen die Kinder in der alten Garage, die zu einem Mini Internetcafe umgewandelt wurde oder es wird laut “Dale Mami” von den Lautsprechern aus dem Wohnzimmer gegroellt. Ich habe mein eigenes Zimmer, was um einiges grosser als Corinnas und meine kleine Zelle in Coclesito war, aber keine Tuer hat. Da wo die Tuer sein sollte, ist einfach nur ein Vorhang und da mein Zimmer neben der Kueche liegt bekomme ich genau mit, wer von der Familie denn Nachts immer am Kuehlschrank nascht. Und wehe, jemand isst was von meinem Muesli!

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

'Ach Scheiße, warum ich?...
'Ach Scheiße, warum ich? Warum bin gerade ICH in so...
Marvin K Mooney - 15. Mai, 23:00
Faultiere sind toll
Ich denke, dass es einen Grund gibt, warum die meisten...
Marvin K Mooney - 15. Mai, 05:25
Mal was neues
Zur der unglaubllichen Hitze mischte sich diesesmal...
Marvin K Mooney - 14. Jan, 21:53
Scheint ja so als ob...
Scheint ja so als ob deine Entscheidung von Coclesito...
Felix G. (Gast) - 17. Okt, 16:49
Echt krass...
Was du da erzählst Marvin klingt wie eine andere Welt....
Philip (Gast) - 16. Okt, 23:05

Links

Zufallsbild

Für die, die es noch nicht gesehen haben ;)

Mein Lesestoff

Suche

 

Status

Online seit 4449 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Mai, 23:19

Credits


Panama
Panama 2.0
T-Minus Abreise
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren